Pilgerherberge und Begegnungsstätte am Zittauer Jakobsweg
Wer immer in guter Absicht diese Schwelle betritt, er sei uns willkommen.
Johannes Pischel, Chronist der kath. Pfarrgemeinde in Hirschfelde
 

Schönes Zeichen der Versöhnung

Gespräch mit Johannes Pischel, Chronist einer Pfarrei mit Umgebindehaus

Rentner Johannes Pischel sammelt Fotos und Dokumente zur Historie seiner katholischen Gemeinde in Hirschfelde. Als sie 2009 ihr 90-jähriges Jubiläum feierte, hatte er damit Schautafeln gestaltet. Diese Zeitspanne ist eng mit dem jetzigen Pilgerhäusl verbunden – wie mit Johannes Pischels eigenem Schicksal.

Groß geworden im Umgebindehaus
Auf dem Kirchengrundstück an der Komturgasse kennt er sich aus. Er und seine Frau Marianne haben 1959 in der kleinen katholischen Kirche hier geheiratet und später im Pfarrhaus gegenüber so manchen Gemeindenachmittag verbracht. Beide stammen aus Seitendorf. Das liegt vier Kilometer entfernt rechts der Neiße und heißt jetzt auf Polnisch Zatonie. Kennengelernt aber haben sich beide erst viel später in Hirschfelde.

Johannes Pischels Großvater hatte sich 1860 in Seitendorf niedergelassen. Er selbst ist Jahrgang 1934. Die Eltern betrieben eine kleine Landwirtschaft. Gemeinsam mit Sohn und Tochter lebten sie in einem Umgebindehaus.

Vertreibung und Neuanfang
Als 1945 der Krieg nach Deutschland zurückkehrte, änderte sich das Leben des damals Zehnjährigen. „Die Front rückte immer näher. Die Russen nahmen Dorf für Dorf ein. Schon Anfang 1945 zogen die Flüchtlingstrecks aus Schlesien bei uns durch“, erinnert sich der heutige Rentner.

Mit Kriegsende verschob sich die deutsche Ostgrenze an die Lausitzer Neiße. „An einem Junitag mussten wir um sechs Uhr in Seitendorf aus den Häusern raus. Bewacht von polnischen Soldaten, zog unsere Familie mit vielen anderen Deutschen über den Fluss. Nur mit einem bepackten Handwagen. Unsere fünf Kühe blieben zurück.“

Erst Großhennersdorf, dann Rosenthal – seit 1950 ein Ortsteil von Hirschfelde – waren die neuen Lebensstationen nach der Vertreibung. Der Sattler- und Polsterergeselle lernte dann seine Marianne aus dem benachbarten Dittelsdorf kennen und nach der Heirat bleiben beide in Hirschfelde. Johannes Pischel lernte um und arbeitete schließlich 34 Jahre lang im hiesigen Betonwerk.

Kommende und Bauernhof
Sein Faible für die örtliche Kirchengeschichte hat er als Pensionär entdeckt. Zu den erfassten Chronikdaten gehört beispielsweise: Die Hirschfelder Katholiken sind seit 2002 in das Zittauer Pfarrgebiet eingegliedert.

Vom kirchlichen Leben an der Komturgasse weiß Johannes Pischel viel zu berichten. „Die Johanniter hatten auf dem Gelände an diesem Straßenzug nachweislich seit 1365 eine Niederlassung. Mit der Reformation gab der Orden diese Kommende 1570 auf.“ Das Anwesen sei danach vermutlich als Bauernhof genutzt worden. Anstelle eines unbekannten früheren Baus habe man vor rund 300 Jahren das heutige Wohnstallhaus im Umgebindestil errichtet.

Rückkehr katholischen Lebens
„Konkreter wird’s wieder Mitte des 19. Jahrhunderts“, erzählt der Chronist. „Hirschfelde stieg zur Industriegemeinde auf und zog auch viele Katholiken an. Sie wurden von der Pfarrei in Seitendorf betreut. Religionsunterricht erteilten Seitendorfer Kapläne in Hirschfelder Privathäusern.“

Ab 1912 habe sich der Seitendorfer Pfarrer Edmund Grohmann um ein Grundstück für ein Gotteshaus in Hirschfelde bemüht. „Hilfe kam 1917 von Braumeister Vogt, ein Schwager des hiesigen Brauereibesitzers Uhlemann. Er erwarb das Anwesen an der Komturgasse mit Haus und gegenüberliegendem Kuhstall für die katholische Kirche“, setzt Johannes Pischel fort.

Von der Kapelle zur Kirche
Ein neuer Zeitabschnitt begann: Familie Vogt bezog das Umgebindehaus, der einheimische Baumeister Kretschmer baute 1919 den Kuhstall zu einer Kapelle um. Diese wurde bald zu eng. Eine kleine katholische Kirche löste sie 1935 ab, benannt nach St. Konrad von Parzham, einem im Jahr zuvor heiliggesprochenen Kapuziner aus Altötting in Bayern. Das Umgebindehaus wurde Pfarrhaus, beherbergte von 1935 bis 1970 das Küster- und Hausmeisterehepaar Richard und Frieda Bärsch.

„Zunächst betreute die Pfarrei Seitendorf die Hirschfelder. 1945 zog mit Otto Vath der erste selbstständige Hirschfelder Pfarrer ins Pfarrhaus ein. In dieser Zeit fanden hier auch viele Flüchtlinge und Vertriebene erste Zuflucht. Von 1956 bis 1976 war Edwin Loos katholischer Pfarrer im Ort. Die Kirche nutzte das Haus nur noch bis 1992, da Hirschfelde inzwischen Vikarie (Amtsbereich) der Pfarrei Mariä Heimsuchung Zittau geworden war und über keine eigene Pfarrstelle mehr verfügte“, berichtet Johannes Pischel.

Begegnung und Versöhnung
Der Rentner steht am Pilgerhäusl Hirschfelde. Seit vielen Jahrzehnten kennt er das Gebäude nun schon. Im Sommer 2010 war er dabei, als für die Rekonstruktion des leerstehenden Pfarrhauses der Grundstein gelegt wurde. „So schön wie jetzt war das Umgebindehaus es noch nie“, freut er sich über die gelungene Rettung. „Diese Übernachtungs- und Begegnungsstätte so nahe am Dreiländerpunkt ist auch ein schönes Zeichen der Versöhnung.“
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