Pilgerherberge und Begegnungsstätte am Zittauer Jakobsweg
Wer immer in guter Absicht diese Schwelle betritt, er sei uns willkommen.
Jeannette Gosteli, vormals Leiterin der Geschäftstelle Umgebindeland beim Landkreis Görlitz
 

Erfolgreiches Dreigestirn über Grenzen hinweg

Jeannette Gosteli, vormals Leiterin der Geschäftstelle Umgebindeland beim Landkreis Görlitz, zur tschechisch-deutschen Partnerschaft

Was tun, wenn man ein anspruchvolles Projekt nicht allein stemmen kann? Man sucht sich Verbündete und Förderer. Genau das hat der Pilgerhäusl-Verein getan. 2009 fand er im Landkreis Görlitz und der Bezirksverwaltung im tschechischen Liberec seine Kooperationspartner.

Ein glücklicher Zufall, denn beide Institutionen hatten grenzübergreifend ein öffentlichkeitswirksames Beispiel für die denkmalgerechte und zugleich zukunftsträchtige Erhaltung von Umgebindehäusern gesucht.

Sensibilisierung und Wissensvermittlung
Das Zauberwort für die Realisierung hieß EU-Förderung. Das Dreigestirn beantragte Gelder aus dem sächsisch-tschechischen Kooperationsprogramm Ziel 3/Cíl 3. Der Projekttitel hieß: „Gemeinsam für den Erhalt der Umgebindehäuser – Sensibilisierung und Wissensvermittlung“.

„Wir haben damals die Haussanierung als Kernstück in einen größeren Zusammenhang gestellt. Internationale Fachveranstaltungen, öffentliche Baustellenführungen ein Umgebinde-Ratgeber in Deutsch und Tschechisch, zwei ebenfalls zweisprachige Bildbände zum Umgebindeland rundeten das Projekt ab. Alles wurde bis Ende 2013 erfolgreich umgesetzt“, erläutert Jeanette Gosteli vom Landkreis Görlitz rückblickend nochmals das Projekt.

Leidenschaftliche Pilgerin
Jeannette Gosteli gehört bereits zu den Initiatoren des „Umgebindelandes“. Diese Initiative macht seit 2003 weithin die gefährdeten Umgebindehäuser als Kulturwerte bekannt und fördert deren Erhaltung. Bis Ende 2013 leitete die gebürtige Oberlausitzerin und studierte Biologin beim Landkeis Görlitz die Geschäftsstelle Umgebindeland, deren Aufgaben inzwischen die Stiftung Umgebindehaus übernommen hat. Auch die Fäden vieler Aktivitäten rund um das Pilgerhäusls liefen in der Projektphase bei Jeannette Gosteli zusammen.

Sie ist selbst leidenschaftliche Pilgerin. Mit 3.200 gelaufenen Kilometern auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela sind ihr die Anforderungen an Herbergen als Raststätten für Körper und Seele gut vertraut. Sie gehörte auch zu den Enthusiasten, die bis 2008 den Jakobsweg von Görlitz nach Prag wieder in Leben riefen. „In ihr fand ich von Anfang an eine engagierte und kreative Mitstreiterin für unser Vorhaben“, sagt Pfarrer Michael Dittrich, Vorsitzender des Pilgerhäusl e. V. Als Vereinsmitglied hat Jeannette Gosteli mittlerweile die Öffentlichkeitsarbeit für das Pilgerhäusl Hirschfelde übernommen.

Drei Themen unter einem Dach
Sie blickt nochmals zurück: „Das Pilgerhäusl-Projekt haben wir von Anbeginn mit drei Themen verbunden. Ersten wollten wir eine einfache, gastfreundliche und bodenständige Herberge schaffen, in der Pilger eine Bleibe für eine Nacht, eine Stätte des Gesprächs und der Besinnung finden. Zweitens bot uns das Umgebindehaus als regionaler Bautyp die Chance, über Grenzen hinweg praxisnah Wissen zur fachgerechten Erneuerung zu vermitteln. Drittens galt unser Bestreben, das Haus über die Übernachtungen hinaus mit Ausstellungen und Veranstaltungen zu beleben, die auf das gesamte Dreiländereck ausstrahlen.“

Alle drei Themen sind heute im Pilgerhäusl Hirschfelde präsent.

Fördergelder für den Umbau
Ohne Moos nichts los, sagt der Volksmund salopp. Das Kooperationstrio nutzte die Möglichkeiten, EU-Fördergelder zu beantragen. Im Mai 2010 wurden sie von der Sächsischen Aufbaubank bewilligt. Zusätzlich erbrachte der Pilgerhäuslverein einen Eigenanteil von rund 80.000 Euro. Viele Menschen in Hirschfelde und darüber hinaus unterstützten das Vorhaben mit Spenden und freiwilliger Arbeit.

Soziale Dimension
Doch Finanzmittel waren nur das eine, wenngleich das Entscheidende für den Erfolg. „Nach den ersten Arbeitseinsätzen von Hirschfelder Bürgern Mitte 2010 ist mir klar geworden, dass das Projekt neben der bautechnischen noch eine weitere Dimension hat“, sagt Jeannette Gosteli. „Nämlich eine soziale.“ Die ehrenamtlichen Einsätze hätten die Menschen in freundschaftlicher Atmosphäre näher zueinander geführt.

„Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass Herr Nichterwitz aus Hirschfelde, der aus der Langzeitarbeitslosigkeit kam, mit dem Projekt neuen Lebensmut fassen konnte. Am Bau hat er tatkräftig mitgewirkt. Jetzt unterstützt er die Pilgerbetreuung.“

Gemeinsames Kulturerbe
Das Pilgerhäusl hat auch die Zusammenarbeit von Deutschen und Tschechen auf eine neue Stufe gehoben. „Grenzübergreifende Kontakte zwischen Ämtern, Institutionen und Vereinen in der Oberlausitz und im tschechischen Kreis Liberec bestehen seit Jahren. Beiderseits der Grenze begreifen wir die Umgebindehäuser immer mehr als gemeinsames Kulturgut, für das wir auch gemeinsam verantwortlich sind. Das Pilgerhäusl aber hat der Zusammenarbeit neuen Schwung gegeben“, so Jeanette Gosteli.

Experten beider Länder tauschten Erkenntnisse zu lokalen Besonderheiten der Bauweise aus, berieten gemeinsam Sanierungsmöglichkeiten. Tschechische Fachleute und Hauseigentümer nutzten Baustellenführungen in Hirschfelde, und im Kreis Liberec fanden Praxisseminare statt.

Der Gastfreundschaft tiefster Sinn
Jeannette Gosteli ist stolz auf das Ergebnis – auf ein Haus, das seine Umgebinde-Schönheit wiedererlangt hat, und auf den guten Geist, der es beseelt. Als Wunsch für den Umgang mit allen Gästen zitiert die Kennerin der Pilgerschaft den Religionsphilosophen Romano Guardini: „Das ist der Gastfreundschaft tiefster Sinn: Dass der Mensch dem anderen Rast gebe auf seiner großen Wanderschaft zum ewigen Zuhause. Dass er für eine Weile ihm Bleibe gebe für die Seele, Kraft, Ruhe und das Vertrauen: Wir sind Weggenossen und haben gleiche Fahrt.“
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